26.08.2024: Gartow - Prievelack
Nach dem Hotelfrühstück packen wir zusammen, holen noch Brezen für die Kinder bei einem Supermarktbäcker und los geht es. Nachdem wir gestern sowieso schon den Elberadweg verlassen haben, nehmen wir bei wieder sehr schönem Wetter nach Gorleben recht pragmatisch den direkten Weg entlang der L256 durch dichten Wald. Hier gibt es einen sehr guten Radweg, irgendwie im Widerspruch zur dünnen gestrichelten Linie in den auf OpenStreetmap basierenden Fahrradkarten.
Gorleben ist ein hübsches Städtchen mit schönen Backsteinhäusern und dürfte den etwas älteren Lesern noch gut bekannt sein: Ende der siebziger Jahre wurde entscheiden, dass hier eine Wiederaufbereitungsanlage für atomaren Müll sowie ein Endlager errichtet werden sollen. Die Proteste dagegen dauerten bis weit in die achtziger Jahre hinein und waren sehr kreativ: unter anderem wurde in einem Hüttendorf die Republik Freies Wendland gegründet – das Symbol dieser Republik, eine orange Sonne auf grünem Grund kann man in der Gegend manchmal noch sehen, beispielsweise auf Autoaufklebern. Ein weiteres Symbol des Widerstands, farbige Holzkreuze, heute in einem anderen Kontext verwendet: wir sehen einige davon mit der Aufschrift: „Für Vielfalt – Kreuze ohne Haken“. Im Rahmen der Proteste gegen das Atommülllager wurde zudem kurzzeitig ein Stück der damaligen DDR besetzt. Heute gibt es noch das damalige Erkundungsbergwerk und daneben ein Zwischenlager, aber daran führt unserer Route nicht vorbei. Woran wir vorbei kommen ist ein kleines Museum, welches aber aktuell geschlossen ist. Also fahren wir weiter, verlassen Gorleben wieder und folgen ein gutes Stück wieder der L256 und später der K27. Ein Radweg führt weite Strecken entlang der Straßen, der Elberadweg löst sich aber wo immer möglich von diesem Radweg.
Ab der Ortschaft Langendorf führt unsere Route wieder schön auf kleinen Wegen über die Felder. Hier kommen wir an einem der ersten Häuser mit Reetdach vorbei, die wir im Verlauf der Reise sehen. Und direkt dahinter sehen wir sehr interessante Rinder. Wie uns einheimische Spaziergänger erzählen, handelt es sich um eine historische Rasse. Wenig später kommen wir wieder an den Deich, dem wir ab hier über weite Strecken folgen, entweder daneben oder oben drauf. Die Elbe macht einige Schleifen und am Scheitelpunkt einer davon, in der Ortschaft Damnatz finden wir ein hübsches Café. Nach unserer tollen Erfahrung mit dem Selbstbedienungs-Café gestern wollen wir in diesem Café eine Pause einlegen, leider ist am Montag aber Ruhetag. Also rollen wir weiter und setzen uns stattdessen auf eine Bank kurz hinter der Ortschaft, an einer wunderschönen Wiese. Wie wir auf einem Schild lesen, handelt es sich um die Tanja-Wiese, einen Erinnerungsort an eine recht jung verstorbene Mutter. Diese Geschichte mag etwas bedrückend sein, erinnert uns aber wieder einmal daran, das Leben zu genießen und zu nehmen wie es kommt. Und Tanja würde sich sicherlich freuen, dass hier zwei fröhliche kleine Kinder eine Radfahrpause einlegen.
Nach einigen weiteren Biegungen der Elbe erreichen wir die Ortschaft Hitzacker. Da wir wieder einmal recht gut vorangekommen sind, machen wir auf einem schönen Spielplatz in einer Parkanlage eine lange Pause. Der Park liegt direkt neben einer Ausgrabungsstätte, an der unter anderem über 3000 Jahre alte bronzezeitliche Häuser ausgegraben wurden. Von hier aus müsste man über eine kleine Holzbrücke recht schnell zu einem Supermarkt kommen und Dirk schwingt sich aufs Rad, um Getränke und Eis zu holen. Leider scheint die Brücke baufällig zu sein oder gerade sonstwie umgebaut zu werden, sie ist jedenfalls gesperrt. Also den langen Weg außen rum. Wir kommen so oder so zu unserm Eis. Witzigerweise hat etwas später eine Schulklasse, von der anderen Seite der Brücke kommend, genau dasselbe Problem. Bis die Horde Schüler samt Betreuer einen Weg um die marode Brücke gefunden hat, sind wir fast schon wieder beim Aufbruch. Die Innenstadt von Hitzacker selber mit ihren vielen Backsteinhäusern ist sehr hübsch hergerichtet, aber auch extrem touristisch und überlaufen. Wir sind froh, nicht hier zu übernachten. Dirk hat recht kurzfristig eine alternative Übernachtungsmöglichkeit gebucht, für die wir noch etwas weiterfahren müssen. Also Richtung Elbfähre. Die Drehbrücke am Hafen sollte laut Auskunft auf der städtischen Webseite eigentlich aufgedreht sein und in ein paar Minuten geschlossen werden. Wir können aber einfach drüberfahren und sind ein ganz klein bisschen enttäuscht. Wann bekommt man als Bayer schon einmal eine sich drehende Brücke zu Gesicht? Die Räder mitsamt Anhänger auf die Fähre zu bekommen ist etwas hakelig, zum Glück hilft der nette Fährmann.
Der Landstrich auf der nördlichen Seite der Elbe hat früher zur DDR gehört und dann zum Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Erst 1993 kam die Gegend zu Niedersachen. Eine Erinnerungstafel erzählt die Geschichte einer der ersten Fährfahrten nach der Öffnung der Grenze, genauer im Dezember 1989: ein Passagier starb nach einem Herzinfarkt, da er nicht mit dem Hubschrauber gerettet werden konnte. Es gab kein Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten über den Einsatz von Rettungshubschraubern. Geschichten, die man heute nicht mehr glauben mag. Wir müssen nur noch ein paar Kilometer am Deich entlangfahren und erreichen dann unsere Unterkunft für heute. Ein altes und liebevoll hergerichtetes Bauernhaus, direkt hinter dem Deich gelegen, inmitten einer wunderschönen Gartenanlage. Das Ganze nennt sich Paradiesgarten und hat diesen Namen auch verdient. Das hier ist wirklich eine der besten und schönsten Übernachtungsmöglichkeiten auf der ganzen Tour. Nach der sehr netten Begrüßung machen wir einen Spaziergang zum Deich wo sich Alex und Franzi austoben können. Nach dem von den Gastgebern selber gekochten leckeren Abendessen – netten Gesprächen mit anderen Radfahrern inklusive - gehen wir glücklich ins Bett.
Tageskilometer: 49.9 km, Gesamtstrecke: 991 km

Dömitzer Eisenbahnbrücke

Altstadt von Hitzacker

Elbfähre Hitzacker - Bitter

Im Privelacker Paradiesgarten